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Es gibt kein Reisebürosterben?

Thomas Dippe • Feb. 20, 2023

#derDippe #machtsmöglich

„General, es sind mehr als 9.000 Indianer!“ „…die schaffen wir mit Links…“ erwiderte General Custer, kurz vor der Schlacht am Little Big Horn, 1876.


Soweit die Fehleinschätzung eine amerikanischen Militärs, in deren Folge ca. 2.000 US Soldaten ihr Leben verloren und die Einheit des General Custer total auf gerieben wurde. Die Reaktion der Heeresleitung und der verantwortlichen US Politiker: „Der Verlust dieser Heereseinheit ist ein Debakel – aber nicht wirklich Kriegsentscheidend!“


Warum erzähle ich das?


Am 17.02.2023 erschien in der Zeitschrift „touristik aktuell“ ein Artikel zur Bestandsaufnahme der Situation der Reisebüros nach über 2 Jahren Corona Pandemie.

Es wurde darin festgestellt, dass von den 10.000 Reisebüros noch ca. 7.000 bis 8.000 Reisebüros übrig sind.


Ein Grund zur Sorge? Ein Grund erschüttert zu sein?


Weit gefehlt! Es wurden sofort Gründe gefunden, dass man sich keine Sorgen machen muss, Gründe die das alles relativieren.


Zum Beispiel, dass viele alt eingestandene Unternehmen die Filialen reduziert haben. Oder das viele Reisebüroinhaberinnen und -inhaber nun aus dem Homeoffice heraus weiter Ihre Reisen verkaufen. Oder das sie in den Ruhestand getreten sind und Ihr Unternehmen weiterverkauft oder einfach geschlossen haben.


Alles Gründe, die stimmen mögen - aber nur zum Teil.


Und man möge mir verzeihen, dass ich da etwas voreingenommen und subjektiv bin – aber ich habe es aus eigenem Erleben gesehen und erlebt.


Menschen, die viele Jahre und Jahrzehnte ihre soziale und unternehmerische Verantwortung wahrgenommen haben, die junge Menschen ausgebildet haben, die Steuern gezahlt haben (und nicht zu knapp) sind mit dem Untergang ihrer Firma in der Versenkung verschwunden. Niemanden Interessiert es mehr, was aus ihnen geworden ist. Denn sie sind zu einer schweigenden Minderheit geworden die keine Lobby haben.


Und das betrifft nicht nur Reisebüros. Es betrifft auch kleine touristischer Veranstalter, Gaststätten, Restaurants, Pensionen und kleine, nicht kettengebundene Hotels. Diese Aufzählung ließe sich sicher noch fortführen.


Wenn 5% bis 10% einer Branche kaputt gehen ist das hoch besorgniserregend.


Wenn 15% nicht mehr da sind, ist das eine dramatische Entwicklung.


Wenn 20% nicht mehr da sind entspricht das der Entwicklung, die die Energieerzeugungsbranche derzeit mit der Energieerzeugung aus Kohle hat.


Für die Kohlekumpel werden schon im Vorfeld Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um die Umstände zu mildern, die auf sie zukommen könnten. Und das ist auch richtig so!


Und was ist mit dem Verlieren aus der Tourismusbranche?


Es ist zynisch und zeugt von vollkommen fehlender Solidarität, die ansonsten Menschen in Not entgegen gebracht wird, die Verlierer der Tourismusbranche so zu ignorieren.


Ich kann verstehen, warum keiner vom „Reisebüro-Sterben“ reden will, sondern von Stabilisierung und „Wir sind wieder da“. Natürlich ist es Zweckoptimismus und jeder, der es durchgestanden hat, atmet auf „Puh – mich hat es nicht erwischt“. Und es sei jedem gegönnt, dass es wieder Erfolge gibt und das es anscheinend weiter geht.


All denen, die es nicht geschafft haben, die jetzt in dem Trümmerhaufen ihres bisherigen Lebens stehen, die verzweifelt und mutlos sind, diejenigen, die nicht den Mut und nicht die Kraft finden, noch einmal von vorne anzufangen, denen sollte die Solidarität der „Überlebenden“ gelten.


Und auch die, die ihren Lebensmut verloren haben und schweren Herzens ein Schrecken mit Ende akzeptieren, als sich einem vermeintlichen Schrecken ohne Ende zu stellen, auch an die sollten wir denken. Es waren anscheinend nicht viele, aber auch sie gab es.   


All diesen Menschen, die zurück gelassen wurden, spüren den bitteren Hohn und den Schlag ins Gesicht, wenn die bisher mit Herzensblut gefüllte Branche nun sagt, es sei nicht der Rede wert über sie zureden, die gescheitert sind an Umständen die sie nicht zu verantworten hatten und sich auch noch dafür schämen, gescheitert zu sein, die an Umständen zerbrochen sind,  und nun Collateralschaden geworden sind.


Und um zu meiner Eingangsgeschichte zurück zu kehren.


Der Kampf am Little Big Horn ging in die Geschichte ein, nicht weil über 2.000 amerikanische US Soldaten starben, was an sich schon tragisch genug wäre, nein, sondern weil diese Entscheidung des General Custer für Arroganz, grenzenlose Überheblichkeit und der absoluten Verweigerung stand, auch anders denkende zu tolerieren.


Nun sind wir weder im Jahr 1876 noch sind wir am Little Big Horn und schon gar nicht in einer ethnischen Auseinandersetzung von Völkern.


Aber wir sind im Jahr 2023 und leben in einer demokratischen Welt. Wir dürfen das leben, was viele in der Vergangenheit auch wollten, nämlich Freiheit und sozialen Ausgleich. Gehört dazu nicht auch Anstand und Mitgefühl?


Jedem gönne ich seinen Erfolg und gratuliere dazu und das aus ehrlichem Herzen, da auch diese Umstände dazu beitragen unsere freiheitliche Grundordnung mit zu erhalten und weiter zu tragen und den persönlichen Wohlstand zu mehren.


Aber Zynismus nach dem Motto „Der König ist tot – es lebe der König“ sollte kein Bestandteil dieser Tourismusbranche sein.


Ihr und Euer Thomas Dippe

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